Auktion: 546 / 19th Century Art am 09.12.2023 in München Lot 304

 

304
Carl Spitzweg
Das Ständchen, Um 1875.
Öl auf Holz
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 76.200

(inklusive Aufgeld)
Das Ständchen. Um 1875.
Öl auf Holz.
Verso mit dem handschriftlichen Besitzervermerk "G G Elberfeld". 20,5 x 13 cm (8 x 5,1 in).

• Ikonisches musikalisches Motiv für die Malerei der Romantik und des Biedermeier
• Spitzweg ist inspiriert von Theater und Oper, der Beginn des "Barbier von Sevilla" von Rossini regt seine malerische Fantasie zu einer Reihe von nächtlichen Ständchen an
• Besonders atmosphärische, in der Lichtregie dramaturgisch raffinierte Version des Ständchens
.

Wir danken Herrn Detlef Rosenberger, der das Werk im Original begutachtet hat, für die freundliche Auskunft.

PROVENIENZ: Privatsammlung Hamburg (bis 1904: Lepke).
Eduard Schulte, Berlin (wohl vom Vorgenannten erworben).
Galerie Heinemann München (1904 vom Vorgenannten erworben).
Kommerzienrat Carl August Jung (1842-1911), Elberfeld (1905 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Baden-Württemberg.

AUSSTELLUNG: Deutsche Jahrhundertausstellung, Nationalgalerie Berlin, 1906, Nr. 1697 (m. Abb. Bd. 2, S. 528).
Gedächtnis-Ausstellung, Kunstverein München, Juni 1908, Nr. 58.

LITERATUR: Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke. Gemälde und Aquarelle, Stuttgart 2002, WVZ-Nr. 1555 (m. Abb.).
Günther Roennefahrt, Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, WVZ-Nr. 1072 (m. Abb.).

Rudolf Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, Auktion 13.12.1904, Los 126 (m. Abb. Taf. 2: "Altertümliche Straße bei Mondbeleuchtung").
Hyazinth Holland, Karl Spitzweg, München 1916, S. 22, Nr. 28 (m. Abb.).
Max von Boehn, Carl Spitzweg, 4. Aufl., Bielefeld/Leipzig 1937, S. 26 (m. Abb.).
Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Ständchen-, Serenaden- und Straßensänger-Bilder. Ein Beitrag zum musikalischen Spitzweg, Starnberg-München 1975, Nr. 24 (m. Abb. 24).
Sotheby's München, Auktion 18.5.1988, Los 31 (m. Abb.).

ARCHIVALIEN:
Galerie Heinemann, München, Kartei verkaufte Bilder, Heinemann-Nr. 7384 (Manuskript, Galerienachlass Heinemann - Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, Kartei Dokument-ID: 10637, über https://heinemann.gnm.de/).
Galerie Heinemann, München, Käuferkartei „Jung“ (Manuskript, Galerienachlass Heinemann - Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, Kartei Dokument-ID: 16970, über https://heinemann.gnm.de/).
Galerie Heinemann, München, Lagerbuch gehandelte Werke (Manuskript, Galerienachlass Heinemann - Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, LB-04-21, Blatt: 19, Dokument-ID: 20892, über https://heinemann.gnm.de/).
Nachlass Hermann Uhde-Bernays, Deutsches Kunstarchiv Nürnberg, IB, Materialsammlung zu Spitzweg, ASF1 Fotokartei, Abb. mit handschriftlichem Vermerk: „Elberfeld (Kom. R. C. A Jung)“.

Mit seinem herausragenden erzählerischen Vermögen gelingt es Spitzweg, mit den Erwartungen der Betrachtenden zu spielen. So auch in unserem Ständchen: In der verwinkelten Heimlichtuerei der verschatteten und vom Mondschein spärlich beleuchteten Architektur, verstellt von Mauern und Erkern, hat sich der verliebte Musikant, ein junger Student vielleicht, auf den Dorfplatz mit dem leise plätscherndem Brunnen gestellt. Dort angekommen muss er feststellen, dass ihm wohl bereits ein anderer Verehrer bei seiner Angebeteten zuvorgekommen ist, wie schemenhaft in dem erleuchteten Fenster zu erkennen. Die Betrachtenden sehen dem Dupierten dabei zu, wie er seine eigene Enttäuschung verarbeiten muss. Mit Humor gelingt es jedoch, diese Desillusionierung zwischen Ideal und Wirklichkeit der schwärmerischen Gestalten der Romantik und des Biedermeier im Leben zu ertragen und ihr sogar noch etwas positives abzugewinnen. Schon früh taucht das Motiv des verliebten Musikanten in Form des Dachgeigers im Werk Spitzwegs auf, zunächst noch mit Ähnlichkeiten zur Physiognomie des Künstlers selbst, und beschäftigt ihn bis in die 1870er Jahre mit zahlreichen fantasievollen Abwandlungen und Zuspitzungen. 1848 notiert er in sein Tagebuch die Beobachtung einer solchen Szene: “nächtlicher Geiger gesehen – wie einst! – Lange Schatten – Lichtpunkte auf der Mauer“ (Wichmann 2002, S. 180). Zeitweise wohnt Spitzweg selbst über den Dächern Münchens und mag vielleicht einiger solcher musikalischen Annäherungsversuche miterlebt haben. Darüber hinaus treffen diese auf das Interesse Spitzwegs an Musik und Theater. Eine bekannteste Abwandlung des Motivs ist die Version des "Spanischen Ständchens" von 1856 (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Sammlung Schack, München), in dem Spitzweg wohl die Anfangsszene der Oper "Der Barbier von Sevilla" wiedergibt - dort erscheint der Graf Almaviva mit einer Gruppe Musikanten unter dem Balkon seiner Angebeteten Rosina. Der von Theater und Oper und ihren Szenen beeindruckte Spitzweg macht sich in seinen Gemälden deren inszenatorische und dramatische Prinzipien zu eigen. Spitzwegs angeheiratete Neffen sind Mitglieder und bedeutende Solisten der bayerischen Hofkapelle, geleitet von seinem Onkel Joseph Moralt, die im Orchester bei einer Aufführung genau dieser Oper mitwirken. Das Ständchen darf als ein beliebtes und persönliches Motiv Spitzwegs gelten, das hier in den für seine Nachtstücke so charakteristischen silbrigen Blautönen mondbeschienener Städtchen unter dem Sternenhimmel wiedergegeben wird. [KT]



304
Carl Spitzweg
Das Ständchen, Um 1875.
Öl auf Holz
Schätzung:
€ 60.000
Ergebnis:
€ 76.200

(inklusive Aufgeld)